Wie geht New Work in systemrelevanten Berufen? - Part 5: Ein Interview mit Stefan Bruckner von der Feuerwehr Stuttgart

Stefan Bruckner ist gelernter Stahlbetonbauer und seit 25 Jahren Berufsfeuerwehrmann bei der Feuerwehr Stuttgart. Seit vier Jahren arbeitet er, neben seiner Funktion als Einsatzleiter im Einsatzdienst, im Bereich der Neubauplanung. Unter anderem begleitet er dort die Planungen zum Neubau eines Verwaltungsstandortes für die Feuerwehr Stuttgart. In Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation flossen bei diesen Planungen maßgeblich New Work Ansätze für die Büroräumlichkeiten mit ein. Daher sind auch die Ergebnisse und Ausflüsse aus dem Projekt NW4KW für ihn und die Feuerwehr Stuttgart hoch spannend.
Was bedeutet New Work für die Feuerwehr Stuttgart, und wie lassen sich moderne Arbeitsansätze in einem sicherheitskritischen Bereich wie der Feuerwehr umsetzen?
Die Zukunft des Arbeitens und Lebens entwickelt sich immer weiter. Neue Visionen und Ideen für „optimale Arbeitsbedingungen“, sogenannte „neue Arbeitswelten“, entstehen.
Für die Feuerwehr Stuttgart bedeutet dies:
- Alte (Arbeits-) Strukturen zu hinterfragen
- Die Mitarbeitenden in den Planungen miteinzubinden
- Die aktuellen Erkenntnisse der modernen Arbeitswelt in die eigentlichen funktionalen Grundanforderungen zu integrieren
- Die Mitarbeitenden und ihre (Arbeits-) Bedürfnisse in den Mittelpunkt zu stellen
Moderne Arbeitsansätze lassen sich auch in einem sicherheitskritischen Bereich wie der Feuerwehr umsetzen. Hierfür ist im Projekt frühzeitig das Know-how eines Fachplaners für Sicherheitsberatung miteinzubeziehen. Natürlich beziehen sich diese modernen Ansätze in erster Linie auf die Arbeit, die bei der Feuerwehr eher im Hintergrund bei den Fachabteilungen abläuft. Hier ist, Stand heute, viel „klassische Verwaltungsarbeit“ zu finden, inklusive der zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten. Die Arbeit der Feuerwehr mit der größeren Außenwahrnehmung, wie das Löschen von Bränden oder die Technische Hilfeleistung, bergen naturgemäß weniger Potential für New Work Ansätze. Ein Ansatz kann hier jedoch die Fokussierung auf die Führungskräfte sein, die durch gute Schulungen und die Anwendung moderner Führungsstile Einfluss auf ihre Mitarbeitenden und damit auf das gesamtheitliche Betriebsklima haben.
Welche Elemente von New Work (wie Flexibilität, Teamarbeit oder Selbstorganisation) passen gut zu den spezifischen Anforderungen einer Feuerwehrorganisation?
Im Rahmen der Planungen für einen neuen Verwaltungsbau für die Branddirektion Stuttgart wurden alle betroffenen Mitarbeitenden, in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer IAO, mittels anonymem Online-Fragebogen zu ihren Arbeitsgewohnheiten befragt. Die Auswertung ergab, dass sich nach den unterschiedlichen Tätigkeits- und Arbeitsprofilen hauptsächlich vier relevante Arbeitstypen (siehe OFFICE 21®, Fraunhofer IAO) bei der Branddirektion Stuttgart unterscheiden lassen:
- Hybrid
- Silent Worker
- Thinker
- Caller
Je nach Arbeitstyp sind die genannten Elemente Flexibilität, Einzel- und/oder Teamarbeit, Selbstorganisation aber auch Kollaboration und Kommunikation unterschiedlich ausgeprägt. New Work bedeutet nicht nur die Identifikation dieser Typen, sondern auch die entsprechende Anpassung des Arbeitsumfeldes, so dass sich dort im Idealfall jeder Typ wiederspiegelt bzw. wiederfindet. Die Betrachtung der Arbeit der Kolleginnen und Kollegen, die täglich im Einsatzdienst sind und keine bis wenig klassische Büroarbeit machen, fällt selbstverständlich anders aus (und wurde auch nicht im Rahmen des Fragebogens erfasst). An oberster Stelle steht hier ohne Frage die Teamarbeit. Ein im Notfall lebenswichtiges Element, dass jede Feuerwehrfrau und jeder Feuerwehrmann verinnerlicht haben muss.
Welche Aspekte von „New Work“ konnten Sie in die Planung der neuen Arbeitsumgebung des Neubaus integrieren?
Wie oben beschrieben steckt die Feuerwehr Stuttgart, zusammen mit zahlreichen Partnern, mitten in den Planungen eines Neubaus, in dem alle Büros der Fachabteilungen einen Platz finden. Um einen Schritt hin zu modernen Arbeitswelten zu gehen, wurden in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer IAO New Work Ansätze integriert. Hier geht es vordergründig um die Gestaltung der Arbeitsplätze, der Pausenräume, der Laufwege, etc. Diese Veränderungen führen jedoch auch zwangsläufig und gewollt zu veränderten Arbeitsabläufen bzw. Arbeitsbedingungen. So sollen die New Work Ansätze dazu führen, ein Umfeld für die Mitarbeitenden zu schaffen, dass modern und zukunftsfähig ist, dass die Resilienz der Feuerwehr Stuttgart stärkt und womit auch neue Mitarbeitende angeworben werden können.
Wie kann New Work dabei helfen, den Dienstalltag und die Zusammenarbeit in einer Organisation wie der Feuerwehr effizienter und gesünder zu gestalten?
Die Mitarbeitenden mit ihren unterschiedlichen beruflichen und privaten Bedürfnissen werden in den Mittelpunkt gerückt. Ihnen werden die bestmöglichen Arbeitsbedingungen zur Verfügung gestellt. Dadurch arbeiten sie sehr gerne in „ihrer“ Arbeitswelt (= effizienter) und fühlen sich wohl (= gesünder).
Zudem können New Work Ansätze nicht nur dazu beitragen, ein gutes Arbeitsklima durch bauliche Maßnahmen zu schaffen, sondern zum Beispiel durch moderne Führungskräfteschulungen und –weiterbildungen auch die Art der Mitarbeiterführung maßgeblich verändern. Das gilt sowohl für den Einsatzdienst, wo gerade im Einsatz strikte hierarchische Strukturen herrschen, als auch im Büroalltag bei den Mitarbeitenden der Fachabteilungen. Die Zufriedenheit der Mitarbeitenden kann so maßgeblich beeinflusst und die Resilienz jedes einzelnen gestärkt werden.
Wie können moderne Arbeitsmethoden dazu beitragen, die Feuerwehr als Arbeitgeber attraktiver zu machen, insbesondere für junge Fachkräfte?
Durch moderne Arbeitsmethoden und neue Arbeitswelten wird die Feuerwehr Stuttgart, insbesondere für junge Fachkräfte, attraktiver. Wenn alte Strukturen nicht aufgebrochen und den aktuellen Erkenntnissen angepasst werden, dann hält der bestehende Fachkräftemangel sicherlich weiter an.