Throwback: Diskussion & Workshop "Neue Arbeitswelten für Systemheld*innen"
Am 17. September 2024 beteiligte sich das INQA EXP-Projekt „NewWork4KeyWorker“ (NW4KW) im Rahmen der INQA Aktionswochen mit einem inspirierenden und informativen Online-Workshop zum Thema „Neue Arbeitswelten für Systemheld*innen“. Ziel der Veranstaltung war es, praxisnahe Impulse für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in systemrelevanten Berufen zu geben und den Transfer innovativer Arbeitsmodelle zu fördern.
Der Workshop, der über Microsoft Teams stattfand, richtete sich insbesondere an Führungskräfte, HR-Manager*innen und Beschäftigte in systemrelevanten Bereichen sowie Expert*innen aus Wissenschaft und Praxis. Rund 50 Teilnehmende nahmen an der zweistündigen Veranstaltung teil.
Einführung und Impulsvortrag
Der Workshop startete mit einer Begrüßung durch Moderation Merlin Lautner vom INQA-Projektteam. Im Anschluss stimmte Prof. Dr. Caroline Ruiner von der Universität Hohenheim die Teilnehmenden mit ihrem Impulsvortrag auf das Thema New Work in systemkritischen Bereichen ein und beleuchtete die spezifischen Herausforderungen und Chancen für diese Berufe. Neben dem demografischen, digitalen und kulturellen Wandel der Arbeitswelt hob sie besonders die eingeschränkte Flexibilität durch die Notwendigkeit des 24/7-Betriebs als besondere Anforderungen an systemrelevante Berufe hervor. Darüber hinaus stellen klare Hierarchieebenen und strenge gesetzliche Rahmenbedingungen eine zusätzliche Hürde für die Umsetzung von New Work in diesen Bereichen dar. Prof. Ruiner betonte, dass für die Umsetzung verstärkt auf die Zusammenarbeit, aber auch Selbstbestimmung und Partizipation der Mitarbeitenden setzen müssen, um den Wandel erfolgreich zu gestalten. Sie gab den Teilnehmenden wertvolle Impulse, insbesondere in Bezug auf die gestiegenen Anforderungen an Führungskräfte, die diesen Veränderungsprozess aktiv unterstützen und mitgestalten müssen. Ihr Vortrag bot wichtige Denkanstöße für die darauffolgende Podiumsdiskussion im Anschluss.
Podiumsdiskussion: Perspektiven aus Praxis und Wissenschaft
Für die Podiumsdiskussion waren fünf Expert*innen aus verschiedenen Bereichen zu Gast, die ihre praktischen Erfahrungen und wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Thema New Work in systemkritischen Bereichen teilten. Die Teilnehmenden waren:
- Sibylle Adler (WiPiA, Kompetenzzentrum Ausbau und Fassade),
- Christine Navarro (Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf),
- Dirk Schlömer (MobiFair),
- Astrid Schmidt (Ver.di),
- Prof. Dr. Caroline Ruiner (Universität Hohenheim).
Im Mittelpunkt der Diskussion standen zentrale Fragen zu dem kulturellen Wandel, der Partizipation in den jeweiligen Berufsfeldern und den Herausforderungen sowie Chancen der digitalen Transformation. Besonders praxisnah wurden die Herausforderungen in den Bereichen Pflege und Gesundheit, Bau und Mobilität behandelt. Dabei wurde deutlich, dass die Abkehr von starren Schichtsystemen nicht nur das Selbstwirksamkeitsgefühl der Beschäftigten erhöht, sondern durch die Berücksichtigung individueller Lebensphasen auch viel mehr Menschen die Teilhabe an der Erwerbstätigkeit ermöglicht. Besonders Frauen, die derzeit häufig in Teilzeitbeschäftigungsverhältnissen arbeiten, profitieren von dieser Flexibilität und der Möglichkeit ihre berufliche und private Zeit besser einzuteilen – aber auch viele Männer äußern den Wunsch, Beruf und Familie flexibler gestalten zu können. Dies wurde als entscheidender Faktor erkannt, um den demografischen Wandel abzufedern und die Besetzung von Stellen, die stark an menschliche Interaktionen gebunden sind, mittel- bis langfristig sicherzustellen. Ferner wurden die Vorteile Künstlicher Intelligenz erläutert, die beispielweise bei der Schichtplanerstellung unterstützend zum Einsatz kommen kann.
Zudem wurde betont, dass es keine lineare Steigerung der Leistung gibt: Mehr Arbeitszeit führt nicht zwangsläufig zu besseren Ergebnissen. Prof. Dr. Ruiner sagte dazu „Vielmehr kann man sich das Ganze wie eine U-Kurve vorstellen.“ Mit steigender Arbeitszeit nimmt auch die Arbeitsleistung ab einem gewissen Zeitpunkt wieder ab.
Ein zentrales Ergebnis der Diskussion war die enorme Bedeutung der Mitgestaltung und Partizipation durch die Belegschaft. Die Einbindung der Mitarbeitenden in den Transformationsprozess von Anfang an, genauso wie das fortlaufende Hinterfragen und Reflektieren des gemeinsamen Ziels stellen zentrale Voraussetzungen für einen erfolgreichen Wandel dar. Darüber hinaus ist eine positive Fehlerkultur sowie Hierarchieübergreifende Kommunikation unabdingbar, um einen offenen und konstruktiven Austausch zu ermöglichen.
Insgesamt liegen also zwei wesentliche Potenziale in der Verbesserung der Arbeitsbedingungen: Einerseits profitieren zahlreiche Beschäftigte direkt von besseren Arbeitsverhältnissen, andererseits trägt dies zur Bekämpfung des Fachkräftemangels bei. Dies wirkt sich wiederum positiv auf die Arbeitsbedingungen aus, reduziert Überlastungen und verbessert letztlich auch die Versorgungssituation der Gesellschaft.
Vertiefung der Themen in Break-Out-Rooms
In einer anschließenden Gruppenarbeitsphase wurde sich vertieft mit spezifischen Themen auseinandergesetzt. Die Gruppen diskutierten unter anderem innovative Schichtmodelle, zukunftsorientierte Arbeitsgestaltung zur Fachkräftesicherung und die Herausforderung, transparente Kommunikation in komplexen Bauprojekten sicherzustellen.
Raum 1: „Freiwillige flexibilisierte Schichtdienstzeiten“ mit Christine Navarro und Ulrike Mühle, UKE Hamburg
Im Gruppenraum 1, moderiert von Christine Navarro und Ulrike Mühle, stand das Thema „Freiwillige flexibilisierte Schichtdienstzeiten“ im Mittelpunkt. Diskutiert wurde die praktische Integration flexibler Dienstzeiten in die Strukturen eines 24/7-Dienstleistungsbetriebs, wie sie am UKE Hamburg erfolgreich umgesetzt wurden. Besonders hervorgehoben wurde der Mehrwert flexibler Schichtmodelle für die Mitarbeitenden, sowohl in Bezug auf die Arbeitsbelastung als auch bei der Gestaltung der arbeitsfreien Zeit.
Das UKE zeigte eindrucksvoll, dass solche Modelle auch in Branchen mit Personalmangel und einer 24/7Betreuung realisierbar sind. Die Transformation wurde als langfristiger Prozess in mehreren Phasen geplant, wobei immer mehr Stationen und Bereiche des Klinikums in das flexible System integriert wurden.
Durch die Einbindung aller Mitarbeitenden und einer fortlaufenden Reevaluation konnte jedoch ein flexibles Schichtsystem entstehen, das Beschäftigten in unterschiedlichen Lebensphasen ein passendes Arbeitsmodell bietet. Insgesamt bietet das UKE rund 80 verschiedene Schichtmodelle, die an die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeitenden und die Anforderungen der Stationen angepasst sind, was sowohl die Arbeitsbelastung reduziert als auch die Zufriedenheit steigert.
Raum 2:„Zukunftsorientierte Arbeitsgestaltung zur Fachkräftesicherung“ mit Tobias Berens, BIT
Im Gruppenraum 2, moderiert von Tobias Berens, drehte sich die Diskussion um das Thema „Zukunftsorientierte Arbeitsgestaltung zur Fachkräftesicherung“. Es wurde deutlich, dass eine zukunftsorientierte Arbeitsgestaltung wesentlich zur Fachkräftesicherung beiträgt, indem sie die Arbeitgeberattraktivität erhöht und die Gesundheit sowie das Wohlbefinden der Mitarbeitenden fördert.
Im Kontext von New Work wurden verschiedene Gestaltungsfelder identifiziert, darunter flexible Arbeitszeiten, Remote Work, agile Arbeitsmethoden, Partizipation und Mitbestimmung, lebenslanges Lernen und Work-Life-Balance. Diese Ansätze stärken nicht nur die Kreativität und Innovationskraft der Belegschaft, sondern verbessern auch die Position im Wettbewerb und erhöhen die Produktivität.
Besonders hervorgehoben wurde die Bedeutung der ganzheitlichen Gefährdungsbeurteilung. Sie ist ein zentrales Instrument, um Arbeitsplätze so zu gestalten, dass Gefährdungen und Belastungen minimiert und die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten gewährleistet werden.
Raum 3: „Neue Baukultur“ mit Sibylle Adler, WiPiA - Wissen für Prozesse im Ausbauhandwerk
Im Gruppenraum 3, moderiert von Sibylle Adler, stand das Thema „Neue Baukultur“ im Fokus. Ein zentrales Thema der Diskussion war die Bedeutung von Transparenz und offener Kommunikation bei der Umsetzung von Bauprojekten. Herausforderungen entstehen häufig durch mangelnden Austausch zwischen Architekt*innen, Bauherr*innen, Fachhandwerker*innen und weiteren Partnern. Ein kontinuierlicher und transparenter Dialog ist entscheidend, um Missverständnisse zu vermeiden und den Projektverlauf reibungslos zu gestalten.
Die Erkenntnisse zeigten, dass New Work verschiedene Berufsgruppen wie Architekt*innen, Ingenieur*innen und Energieberater*innen näher zusammenbringt, was zu ganzheitlichen Ansätzen für die energetische Sanierung führt. Durch die Förderung von agilen Arbeitsweisen lassen sich Gebäude schneller an veränderte Anforderungen und Technologien im Bereich Energieeffizienz anpassen. Zudem betont New Work die Bedeutung von Nachhaltigkeit: Eine nachhaltige Unternehmenskultur motiviert Mitarbeitende dazu, umweltfreundlich zu handeln und trägt langfristig zu einer erfolgreichen Bauprojektumsetzung bei.
Raum 4: „New Work trifft Schichtarbeit im Nahverkehr - Flexibel arbeiten möglich machen“ mit Dirk Schlömer, mobifair
Fazit
Die Veranstaltung zeigte deutlich, dass die Umsetzung von New Work Ansätzen als Antwort auf den demographischen und technologischen Wandel verstanden werden kann. Die Veranstaltung war geprägt von einem regen Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis, der wichtige Handlungsansätze für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in systemrelevanten Bereichen aufzeigte. Besonders der Ansatz, den kulturellen Wandel durch partizipative Führungsstrukturen zu fördern, wurde von allen Teilnehmenden als zentral bewertet.
Wir danken allen Teilnehmenden und Partner*innen für ihre wertvollen Beiträge und das große Engagement.
Kontakt und weitere Informationen
Bei weiteren Fragen, wenden Sie sich gerne an Lucie Stecker, stecker@ddn-netzwerk.de oder Tobias Berens, tobias.berens@bit-bochum.de.