Wie geht New Work in systemrelevanten Berufen? - Part 2: Ein Interview mit Martina Schmeink
Martina Schmeink ist Geschäftsführerin von Das Demographie Netzwerk e. V. (ddn). Sie ist studierte Wirtschaftswissenschaftlerin mit praktischem Erfahrungshintergrund im Familienunternehmen und der Wirtschaftsförderung. ddn ist ein Unternehmensnetzwerk, das 2006 von der Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA) gegründet wurde und sich als Impulsgeber zu den komplexen Herausforderungen des demografischen Wandels für unsere Gesellschaft versteht. Demografie ist für ddn nicht nur eine Frage der Wirtschaft und Fachkräftesicherung. Das Netzwerk versteht den demografischen Wandel vielmehr als ganzheitliche Herausforderung für Unternehmen, die Themen wie New Work, Nachhaltigkeit, Diversität und Digitalisierung miteinschließt. Im Rahmen des INQA-Experimentierraum-Projekts NewWork4KeyWorker (NW4KW) begleitet ddn die Experimentierräume innovativer und Resilienz-steigernder Arbeitsorganisation in systemrelevanten Berufen, mit einem Fokus auf Transfer und Sichtbarkeit.
Wie wichtig ist die Einbindung der Mitarbeitenden bei der Entwicklung von New Work-Strategien und wie setzen Sie dies in Ihrem Projekt um?
Eine der größten Herausforderungen bei der Förderung einer partizipativen Arbeitskultur in systemrelevanten Berufen ist der hohe Arbeitsdruck und die oft fehlende Zeit, um sich neben den täglichen Aufgaben aktiv an Entscheidungsprozessen zu beteiligen. Systemrelevante Berufe im Gesundheitswesen, in Sicherheitsdiensten oder Versorgungsunternehmen zeichnen sich durch ihre essenzielle Rolle in der Gesellschaft aus, was oft zu einem intensiven Arbeitsalltag führt. Der hohe Druck lässt wenig Raum für zusätzliche Aktivitäten, selbst wenn diese die Arbeitsbedingungen langfristig verbessern könnten.
Darüber hinaus können hierarchische Strukturen und starre Organisation einer partizipativen Arbeitskultur entgegenwirken. In vielen traditionellen Organisationen gibt es fest etablierte Entscheidungsprozesse und Machtverhältnisse, die nur schwer zu durchbrechen sind. Mitarbeitende in unteren Hierarchieebenen fühlen sich oft nicht befugt oder ermutigt, ihre Meinung zu äußern oder an Entscheidungsprozessen teilzunehmen. Diese strukturellen Barrieren können dazu führen, dass wertvolle Ideen und Perspektiven ungehört bleiben und die Motivation sinkt.
Wie variieren diese Herausforderungen zwischen großen und kleinen Organisationen?
In großen Organisationen besteht die Herausforderung vor allem darin, alle Mitarbeitenden zu erreichen und deren Sichtweise zu integrieren. Je größer die Beschäftigtenzahl – zudem noch an verschiedenen Standorten – desto schwieriger ist es, effektive Kommunikationskanäle zu etablieren und sicherzustellen, dass die Mitarbeitenden die Möglichkeit zur Beteiligung haben. Dies erfordert nicht nur gute Kommunikationsstrategien und -wege, sondern auch Ressourcen in Form von Zeit, Geld und Personal.
Auf der anderen Seite haben kleinere Organisationen häufig nicht die notwendigen Ressourcen, um umfassend partizipative Prozesse zu etablieren. In kleineren Teams kann zwar die Abstimmung direkter und persönlicher sein, jedoch fehlt es oft an finanziellen Mitteln oder administrativer Unterstützung, um strukturierte Beteiligungsmechanismen zu implementieren. Dies kann dazu führen, dass wichtige Entscheidungen ohne ausreichende Beteiligung der Beschäftigten getroffen werden, was langfristig zu Unzufriedenheit und einer geringeren Arbeitsmotivation führen kann.
Wie haben sich die Anforderungen in systemrelevanten Berufen in den letzten Jahren verändert und welche Rolle spielt Ihr Projekt dabei, eine partizipative Unternehmenskultur zu fördern?
Die Anforderungen in systemrelevanten Berufen haben sich in den letzten Jahren erheblich verändert, insbesondere durch die Digitalisierung, den demografischen Wandel und die Coronavirus-Pandemie. Diese Veränderungen haben den Druck auf die Mitarbeitenden erhöht und gleichzeitig die Notwendigkeit für flexible und resiliente Arbeitsstrukturen verdeutlicht. Unser Projekt ermöglicht Partizipation, indem es innovative Ansätze entwickelt, die auf die spezifischen Bedürfnisse und Herausforderungen in diesen Berufen eingehen. Durch die Einbindung der Belegschaft in die Gestaltung dieser Ansätze fördern wir ihre aktive Teilnahme und verbessern die Arbeitsbedingungen nachhaltig.
Können Sie schon allgemeine Handlungsempfehlungen oder Tipps geben, die helfen können, die Partizipation der Mitarbeitenden in der Arbeitswelt zu stärken?
Im Kern geht es um die Haltung! Erkenne ich an, dass die Beschäftigten durchaus Urteilskraft dazu besitzen, wie Arbeitsbedingungen und Organisationsstrukturen sowohl ihren Bedürfnissen als auch den Anforderungen der Arbeit gerecht werden können? Dann schaffe ich eine Kultur der Zusammenarbeit und die Voraussetzung für ein erfolgreiches Miteinander im Betrieb. Dazu beitragen können eine offene Kommunikation, regelmäßige Feedback-Schleifen, partizipative Entscheidungsprozesse, Schulungen und Weiterbildung sowie Flexibilität und Autonomie. Wie das konkret werden kann, dazu haben wir im Demographie Netzwerk durchaus gute Vorbilder, nutzbare Tools und das Angebot, im Austausch mit Anderen Lösungen für die eigenen Herausforderungen zu entwickeln.